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Abgeordnetenhaus - Piratenpartei (2) Christopher Lauer zur Regierungserklärung 12.1.2012.avi

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    >> PRESIDENT: Bitte, Herr Lauer
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    (Pause) 0:00:73.620,0:00:10.130 >> LAUER: Ja, wie viel Zeit habe ich denn noch? 18:01, wunderbar.
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    >> PRESIDENT: 10 Minuten
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    >> LAUER: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter
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    Herr Wowereit.
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    Andreas hat in seiner Rede den programmatischen Aspekt der Regierungserklärung beleuchtet
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    und ich moechte hier an dieser Stelle das Wort ergreifen, um auf einige grundsätzlichere
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    Dinge hinzuweisen. Die Piratenfraktion ist seit September letzten Jahres Bestandteil
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    dieses Hauses und nach der anfaenglichen Euphorie und den Bekenntnissen seitens der bereits
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    im Haus vertretenen Parteien, jetzt etwas an ihrem Politikstil zu aendern scheint sich
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    langsam der Alltagstrott wieder eingeschlichen zu haben.
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    Ich kann Ihre Hoffnung verstehen, dass wir uns eher Ihnen anpassen, als Sie sich uns,
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    aber auch diese platte Schwarz/Weiß-Logik greift zu kurz. Der Einzug der Piratenpartei
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    ins Berliner Abgeordnetenhaus markiert eine Zäsur. Mit uns ist eine Partei eingezogen,
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    deren Mitglieder durch die neuen Medien, durch das Internet sozialisiert worden sind. Das
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    ist ein Fakt der anzuerkennen ist wenn man verstehen möchte, mit welchem Befremden wir
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    auf das Geschehen in diesem Haus blicken. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, die jedem,
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    der sie betreten wollte, eine neutrale Plattform zur freien Entfaltung bot. Natürlich birgt
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    diese Welt, das Internet, Gefahren, aber nennen Sie mir einen Ort, auf den dies nicht zutrifft.
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    Wir haben die Chancen des Internets immer als größer wahrgenommen. Und die Chancengleichheit
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    in der physikalischen Welt, von der in vielen Wahlprogrammen und auch dieser Regierungserklärung
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    und heute geredet worden ist, die ist im Internet umgesetzt. Denn dort interessiert es tatsächlich
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    niemanden aus welchem Land sie kommen, welches Geschlecht sie haben oder welcher Religion
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    sie angehören. Sie müssen nur durch die Dinge die sie tun überzeugen. Eine solche
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    Parallelgesellschaft und ich benutze dieses Wort hier ganz bewusst, wird in dem Moment
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    umso wichtiger, in dem immer mehr Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft durch
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    das Raster fallen oder sich nicht in die vorgefundenen Gesellschaftsnormen pressen lassen wollen.
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    Mit den Piraten haben doch nicht die Klassenlieblinge die politische Bühne betreten, sondern die
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    Nerds, die Außenseiter, diejenigen, die in der Schule nicht zu den Parties eingeladen
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    worden sind, diejenigen, die nicht in der Mitte der Gesellschaft standen. Ja, und Sie
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    haben in diesem Haus von Solidarität gesprochen, und machen bei sowas 'Oh'. Sie sollten sich
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    schämen! Wir mussten uns in unserer (...) Ich habe leider meine Kresse vergessen;
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    wenn ich die Kresse dabei hätte, könnten Sie sie hier vorne abholen und dann die
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    Kresse halten.
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    Wir befinden uns durch das Internet gerade mitten im Auge des Sturms einer gesamtgesellschaftlichen
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    Entwicklung, deren Ende wir noch nicht absehen können. Die gesellschaftlichen Veränderungen,
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    die das Internet als Technologie (...)
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    >> PRESIDENT: Herr Lauer, ganz kurz, Verzeihung. Aber, meine Damen und Herren, Zwischenrufe
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    ist eine Sache. Ein dauerhafter Geräuschpegel ist eine andere, bitte lassen sie das.
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    >> LAUER: Ich komme ja gleich zur Sache. Wir befinden uns durch das Internet gerade mitten
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    im Auge des Sturms einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, deren Ende wir noch nicht absehen
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    können. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die das Internet als Technologie verursacht,
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    sind aber spürbar und wir sollten es uns nicht nehmen lassen diese Veränderungen zu
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    gestalten. Das Internet zerstört schonungslos die Paradigmen des 19. & 20. Jahrhunderts.
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    Was ist Wissen, was ist Arbeit, was ist Qualifikation in einer Welt, in der mir alle Informationen
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    per Knopfdruck zur Verfügung stehen? Wir beschäftigen uns bisher allenfalls mit den
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    Symptomen einer sich verändernden Welt. Wir müssen aber Anfangen uns mit den Ursachen
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    auseinanderzusetzen. Dabei können wir nicht mit Lösungen aus dem 20. Jahrhundert auf
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    die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts reagieren.
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    Das Internet kann mittlerweile mehr. Es ist nicht nur Google und eBay, sondern auch die
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    demokratische Beteiligung vieler. Als Parlament dürfen wir die technologischen Sprünge der
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    letzten Jahre nicht ignorieren. Das Problem ist, dass dieses Haus keine Innovationen belohnt.
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    Wieso sollte es auch, es geht hier um Beständigkeit und es geht in dem Moment, in dem 149 Menschen
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    als gewählte Volksvertreter 3,5 Millionen Berlinerinnen und Berliner vertreten auch
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    um eine Reduktion von Komplexität. Ja und es geht um Macht. In dem Moment, in dem dieses
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    Haus die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess beschließt geht es natürlich auch
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    um die Angst, sich selbst abzuschaffen.
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    Aber da kann ich Sie beruhigen: Wir haben uns schon längst geschafft mit dem Abschaffen.
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    Denn was bedeutet ihre Regierungserklärung denn eigentlich Herr Wowereit? Sie haben heute
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    verkündet, was in den nächsten fünf Jahren passieren soll. Wie wird es passieren? Durch
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    Gesetze. Wer beschließt diese Gesetze? Dieses Haus. Aber: Wo werden diese Gesetze geschrieben?
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    Wer von den hier anwesenden Abgeordneten ist denn Herr oder Frau Referentenentwurf? Wo
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    sitzt denn der Referent? Der sitzt in der Verwaltung. Es ist traurige Realität, dass
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    dieses Haus seiner Verfassungsmäßigen Aufgabe, Gesetze aus seiner Mitte entstehen zu lassen,
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    nicht mehr nachkommt. Die traurige Realität wird es sein, dass jede Änderung in den nächsten
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    fünf Jahren aus dem Senat kommen und in diesem Haus von Seiten der Koalition mal mehr, mal
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    weniger Zähneknirschend abgenickt werden wird. Und die Opposition wird schreien. Und
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    die Opposition wird Vorschläge machen und die Koalition wird schreien. Und hier spreche
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    ich explizit die Hinterbänkler in den Fraktionen an: Habt ihr euch das so vorgestellt, ist
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    es euch das Wert? Fünf Jahre lang das abzunicken was Herr oder Frau Referentenentwurf in irgendeiner
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    Senatsverwaltung geschrieben haben? Das Freie Mandat, verfassungsmäßig verankert,
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    wird im Abgeordnetenhaus von Berlin Woche um Woche zur Makulatur. Wer hat denn hier
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    noch das Rückgrat, seiner Fraktion öffentlich zu widersprechen?
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    Dieses Unterordnen unter die Fraktion, die sich wiederum dem Senat unterordnet, das ist
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    eine Gefahr für die Demokratie. Wenn wir hier von den Gefahren des Lobbyismus und mehr
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    Transparenz im Haus sprechen, dann verkennen wir, dass der Lobbyist zu demjenigen geht,
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    der das Gesetz schreibt und nicht etwa zu dem, der das Gesetz nur noch abzunicken hat.
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    Es finden in diesem Haus keine Debatten mehr statt, sondern ein auf Koalition und Opposition
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    verteiltes Kasperletheater. Es findet eine Machtkonzentration auf den Senat statt, die
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    nicht gesund ist. Angesichts der Herausforderungen, vor der die Stadt Berlin steht ist es bemerkenswert,
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    dass wir als Parlamentarier, die lediglich ihrem Gewissen verpflichtet sind, uns so etwas
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    gefallen lassen. Die Lösung ist einfach wie radikal. Die Landesverfassung
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    sagt im § 59 Absatz (2): Gesetzesvorlagen können aus der Mitte des Abgeordnetenhauses,
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    durch den Senat oder im Wege des Volksbegehrens eingebracht werden. Lassen Sie und gemeinsam
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    „durch den Senat“ streichen. Lassen sie uns die Mitglieder dieses Hauses mit der Expertise
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    ausstatten, dass wir wieder in der Lage sind, die Gesetze zu schreiben, damit hier tatsächliche
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    Debatten stattfinden, Sachbezogen und über das Kleinklein von Parteigrenzen hinweg. Versuchen
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    Sie sich einmal vorzustellen, wie motivierend es sein kann, wenn man nach harter Debatte
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    ein Gesetz durchgebracht hat, an dem man mit Herzblut gearbeitet hat.
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    Aber mir ist natürlich klar: Das ist nur Wunschdenken. Sie werden sich im Anschluss
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    an meine Rede genug Gründe herbeiargumentieren um zu erklären, warum das System, dass wir
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    seit über 50 Jahren haben gut ist und so weitergeführt werden muss. Sie werden sich
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    vor allem selbst erklären, dass sie eine wichtige Rolle in dem spielen, was hier in
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    diesem Haus stattfindet. Und selbst wenn das, was ich hier grade gesagt habe bei Ihnen angekommen
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    sein sollte, dann werden Sie sich nicht trauen innerhalb ihrer Fraktion, innerhalb ihrer
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    Partei darüber zu diskutieren. Im Wahlkampf hatten wir ein Plakat Warum häng ich hier
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    eigentlich, ihr geht doch eh nicht wählen? Analog dazu könnte man u?ber dieses Rednerpult
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    eins mit der Inschrift Warum rede ich hier eigentlich, ich weiß doch eh, wie ihr abstimmt
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    hängen. Der Erfolg der Piratenpartei ist auch das Ergebnis einer Vertrauenskrise in
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    unser repräsentatives, parlamentarisches System. Die Bürgerinnen und Bürger Berlins
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    kämen doch nicht auf die Idee nach mehr Beteiligung zu verlangen, wenn sie das Gefühl hätten,
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    dass sie hier im Sinne einer Volksvertretung vertreten werden. Hat sich hier noch nie jemand
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    die Frage gestellt, warum sich Menschen, für die Strom aus der Steckdose und Geld aus dem
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    Automaten kommt auf einmal Interesse daran haben, sich politisch zu beteiligen?
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    Wenn wir die Berlinerinnen und Berliner aber davon überzeugen möchten, dass die demokratische
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    Repräsentation durch Volksvertreter Notwendig ist, dann sollten wir alle sehr schnell damit
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    anfangen Gründe zu liefern. Mit einem Weiter wie bisher wird das nicht funktionieren.
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    Vielen Dank
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    >>PRESIDENT: Vielen Dank
Title:
Abgeordnetenhaus - Piratenpartei (2) Christopher Lauer zur Regierungserklärung 12.1.2012.avi
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Abgeordnetenhaus - Piratenpartei (2) Christopher Lauer zur Regierungserklärung 12.1.2012 - Incl. English, Fresh, Katalan & German SUBTITLES
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Link zur grandiosen Rede: https://redmine.piratenfraktion-berlin.de/projects/plenar6sitzung/wiki/Christopher_Lauer_zur_Regierungserkl%C3%A4rung

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Video Language:
German
Duration:
08:54
Amara Bot added a translation

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