Joshua Foer: Gedächtnisleistungen für jedermann
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0:00 - 0:05Ich möchte euch einladen eure Augen zu schließen.
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0:05 - 0:08Stell dir vor,
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0:08 - 0:11du stehst vor deiner Haustür.
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0:11 - 0:15Betrachte die Tür, ihre Farbe und
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0:15 - 0:19das Material aus dem sie gemacht ist.
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0:19 - 0:26Jetzt stell dir eine Gruppe übergewichtiger FKK-ler auf ihren Fahrrädern vor.
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0:26 - 0:29Es ist ein nacktes Fahrradrennen und sie kommen
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0:29 - 0:32genau auf dich und deine Haustür zu.
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0:32 - 0:34Du musst dir das wirklich vorstellen.
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0:34 - 0:38Sie strampeln sich ab, schwitzen und
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0:38 - 0:40wabbeln direkt auf dich zu.
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0:40 - 0:44Und dann krachen sie alle direkt in deine Haustür.
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0:44 - 0:48Fahrräder, Räder, alles fliegt kreuz und quer.
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0:48 - 0:52Speichen verkeilen sich in prekären Stellen.
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0:52 - 0:55Nun tritt über die Schwelle deiner Wohnung in deine Diele,
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0:55 - 0:58deinen Flur oder was eben auf der anderen Seite deiner Wohnungstür liegt,
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0:58 - 1:02und genieße, wie sich das Licht im Raum bricht.
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1:02 - 1:08Das Licht scheint auf das Krümelmonster.
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1:08 - 1:11Es winkt dir vom Rücken eines
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1:11 - 1:13gelb-braunen Pferdes aus zu.
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1:13 - 1:15Einem sprechenden Pferd.
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1:15 - 1:20Du kannst fast spüren, wie sein blaues Fell deine Nase kitzelt.
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1:20 - 1:24Du riechst den Schokokeks, den es sich in den Mund schiebt.
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1:24 - 1:28Geh an ihm vorbei, vorbei in dein Wohnzimmer.
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1:28 - 1:31Hier stell dir mit der ganzen Leistung deiner Vorstellungskraft
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1:31 - 1:34Britney Spears vor.
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1:34 - 1:39Ihre Kleider bedecken nur das Allernötigste, sie singt
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1:39 - 1:42"Hit Me Baby One More Time", während sie auf deinem Wohnzimmertisch tanzt.
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1:42 - 1:45Jetzt folge mir in deine Küche.
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1:45 - 1:49Der Boden wurde durch eine gelbe Pflasterstraße ersetzt
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1:49 - 1:53und aus deinem Ofen kommen dir Dorothy, der Zinnmann,
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1:53 - 1:55Vogelscheuche und der Löwe aus
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1:55 - 1:57"Der Zauberer von Oz" entgegen,
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1:57 - 2:00Hand in Hand hüpfen sie auf dich zu.
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2:00 - 2:04Okay. Jetzt öffne die Augen.
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2:04 - 2:08ich möchte euch von einem sehr bizarren Wettbewerb erzählen,
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2:08 - 2:11der jedes Jahr im Frühling in New York City abgehalten wird.
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2:11 - 2:14Er heißt "United States Memory Championship".
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2:14 - 2:17Vor ein paar Jahren wollte ich von diesen Wettkampf
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2:17 - 2:19als Wissenschaftsjournalist berichten
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2:19 - 2:22und erwartete, die Jahrestagung
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2:22 - 2:25der Inselbegabten vorzufinden.
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2:25 - 2:28Es war ein Haufen Typen und einige wenige Damen,
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2:28 - 2:33von ganz unterschiedlichem Alter und Hygienestandard.
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2:33 - 2:35(Lachen)
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2:35 - 2:39Sie prägten sich nach einmaligem Betrachten
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2:39 - 2:41Hunderte von zufälligen Zahlen ein.
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2:41 - 2:45Lernten die Namen von Dutzenden und Aberdutzenden von Unbekannten
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2:45 - 2:49und merkten sich ganze Gedichte in nur wenigen Minuten.
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2:49 - 2:51Sie konkurrierten darum, wer sich die Reihenfolge
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2:51 - 2:55eines gemischten Kartendecks am schnellsten einprägen konnte.
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2:55 - 2:57Das ist verrückt.
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2:57 - 3:00Diese Leute müssen übernatürliche Fähigkeiten haben.
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3:00 - 3:03Ich fing an, mich mit einigen von ihnen zu unterhalten.
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3:03 - 3:05Dies hier ist Ed Cook, ein Typ, der
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3:05 - 3:06aus England hergekommen ist und
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3:06 - 3:08dort eines der besttrainierten Gedächtnisse hat.
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3:08 - 3:12Und ich fragte ihn, "Ed, wann hast du bemerkt,
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3:12 - 3:15dass du diese besondere Begabung hast?"
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3:15 - 3:17Und Ed sagte, "Ich bin kein Inselbegabter.
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3:17 - 3:20Ich habe nur ein durchschnittliches Gedächtnis.
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3:20 - 3:22Jeder, der hier antritt, wird dir bestätigen,
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3:22 - 3:25dass er oder sie nur ein Durchschnittsgedächtnis hat.
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3:25 - 3:27Wir haben uns alle, mittels antiker Techniken,
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3:27 - 3:31darauf trainiert, diese unglaublichen
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3:31 - 3:33Gedächtniskunststücke zu vollführen.
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3:33 - 3:37Techniken, die die Griechen vor 2 500 Jahren erfunden haben.
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3:37 - 3:40Dieselben Techniken, die Cicero nutzte, um
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3:40 - 3:42seine Reden auswendig zu lernen,
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3:42 - 3:46und die mittelalterliche Gelehrte nutzten, um ganze Bücher auswendig zu lernen."
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3:46 - 3:49Und ich dachte nur, "Wow, wie kommt es, dass ich noch nie davon gehört habe?"
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3:49 - 3:52Wir standen draußen vor der Wettkampfhalle
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3:52 - 3:56und Ed, dieser wunderbare, brillante,
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3:56 - 3:59und etwas exzentrische englische Typ
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3:59 - 4:03sagt zu mir, "Josh, du bist ein amerikanischer Journalist.
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4:03 - 4:05Kennst du Britney Spears?"
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4:05 - 4:10Ich: "Was? Nee. Wieso?"
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4:10 - 4:13"Ich würde gern Britney Spears beibringen, wie man
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4:13 - 4:16die Reihenfolge eines gemischten Kartendecks auswendig lernt.
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4:16 - 4:18Im U.S.-Fernsehen.
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4:18 - 4:21Es würde der Welt beweisen, dass das hier jeder kann."
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4:21 - 4:26(Lachen)
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4:26 - 4:29Ich sagte ihm, "Ich bin zwar nicht Britney Spears,
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4:29 - 4:32aber du könntest es mir beibringen.
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4:32 - 4:35Ich meine, du musst ja irgendwo anfangen, nicht wahr?"
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4:35 - 4:38Und das war der Anfang einer sehr seltsamen Reise für mich.
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4:38 - 4:41Einen Großteil des nächsten Jahres verbrachte ich
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4:41 - 4:43nicht nur damit, mein Gedächtnis zu trainieren,
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4:43 - 4:45sondern auch damit, es zu untersuchen
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4:45 - 4:47und zu verstehen, wie es funktioniert,
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4:47 - 4:50warum es manchmal nicht funktioniert
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4:50 - 4:52und was sein Potenzial sein könnte.
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4:52 - 4:54Ich habe eine Menge wirklich interessanter Leute getroffen.
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4:54 - 4:56Das hier ist zum Beispiel E.P.
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4:56 - 4:59Er leidet unter Gedächtnisverlust und hat
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4:59 - 5:01vermutlich das schlechteste Gedächtnis der Welt.
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5:01 - 5:03Sein Gedächtnis ist so schlecht,
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5:03 - 5:06dass er sich nicht einmal an sein Gedächtnisproblem erinnert.
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5:06 - 5:08Was erstaunlich ist.
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5:08 - 5:09Obwohl es so tragisch war,
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5:09 - 5:11bot er Einblicke darin,
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5:11 - 5:15wie viel unser Gedächtnis uns zu dem macht, wer wir sind.
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5:15 - 5:18Auf der anderen Seite des Spektrums lernte ich
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5:18 - 5:20Kim Peek kennen.
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5:20 - 5:23Er war die Vorlage für Dustin Hoffmans Charakter in dem Film "Rain Man."
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5:23 - 5:26Wir verbrachten einen Nachmittag zusammen damit,
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5:26 - 5:30in der öffentlichen Bücherei in Salt Lake City Telefonbücher auswendig zu lernen.
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5:30 - 5:33Einfach faszinierend.
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5:33 - 5:36(Lachen)
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5:36 - 5:39Und ich kam zurück, um einen ganzen Stapel Abhandlungen über das Gedächtnis zu lesen,
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5:39 - 5:43Abhandlungen, die vor 2 000 Jahren und mehr
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5:43 - 5:45im Altertum in Latein
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5:45 - 5:47und später im Mittelalter geschrieben worden waren.
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5:47 - 5:50Und ich habe einen ganzen Haufen wirklich interessanter Dinge gelernt.
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5:50 - 5:53Besonders faszinierte mich, dass
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5:53 - 5:56es eine Zeit gab, zu der
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5:56 - 6:01die Vorstellung, das Gedächtnis zu trainieren, zu disziplinieren, zu kultivieren,
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6:01 - 6:06nicht nahezu so fremd wie heute erschien.
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6:06 - 6:11Es gab eine Zeit, zu der Menschen in ihr Gedächtnis investierten,
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6:11 - 6:16es aufwändig möblierten.
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6:16 - 6:18Über die letzten paar Jahrtausende
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6:18 - 6:21haben wir eine Reihe von Technologien erfunden –
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6:21 - 6:23vom Alphabet zur Schriftrolle,
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6:23 - 6:26zum Kodex, dem Buchdruck, der Photographie,
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6:26 - 6:28dem Computer, dem Smartphone –
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6:28 - 6:31die es uns immer einfacher gemacht haben,
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6:31 - 6:33unser Gedächtnis extern zu lagern,
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6:33 - 6:35diese fundamental menschliche Fähigkeit
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6:35 - 6:39im Prinzip auszugliedern.
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6:39 - 6:43Diese Technologien haben unsere moderne Welt ermöglicht,
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6:43 - 6:44uns aber gleichzeitig verändert.
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6:44 - 6:46Sie haben uns kulturell verändert
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6:46 - 6:50und ich würde behaupten, dass sie uns auch kognitiv verändert haben.
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6:50 - 6:52Ohne die Notwendigkeit zu erinnern,
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6:52 - 6:55scheint es manchmal, als hätten wir vergessen, wie das geht.
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6:55 - 6:57Einer der letzten Orte dieser Erde,
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6:57 - 7:00wo man noch immer Leute finden kann, die noch immer leidenschaftlich
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7:00 - 7:04ihr Gedächtnis trainieren, disziplinieren und kultivieren,
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7:04 - 7:06ist dieser einzigartige Gedächtnis-Wettkampf.
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7:06 - 7:08Tatsächlich ist er nicht so einzigartig,
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7:08 - 7:10es gibt Wettkämpfe wie diesen auf der ganzen Welt.
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7:10 - 7:14Und das hat mich in den Bann gezogen, ich wollte wissen, wie diese Leute das machen.
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7:14 - 7:19Vor einigen Jahren hat eine Forschungsgruppe am University College London
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7:19 - 7:22eine Gruppe von Gedächtnismeistern ins Labor gebracht.
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7:22 - 7:23Sie wollten wissen:
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7:23 - 7:24Ist die Struktur oder Anatomie
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7:24 - 7:29ihrer Gehirne anders als die beim Rest von uns?
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7:29 - 7:32Die Antwort war: Nein.
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7:32 - 7:35Sind sie klüger als wir?
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7:35 - 7:37Sie gaben ihnen einen Stapel Kognitionstests
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7:37 - 7:39und die Antwort war: Eigentlich nicht.
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7:39 - 7:42Es gab allerdings einen interessanten und vielsagenden Unterschied
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7:42 - 7:44zwischen dem Gehirn eines Gedächtnismeisters
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7:44 - 7:47und dem einer Kontrollperson, mit dem es verglichen wurde.
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7:47 - 7:50Wenn man sie in eine fMRI-Maschine steckt
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7:50 - 7:52und ihr Gehirn scannt,
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7:52 - 7:57während sie sich Nummern, Gesichter und Bilder von Schneeflocken einprägen,
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7:57 - 7:59kann man sehen, dass bei den Gedächtnismeistern
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7:59 - 8:01andere Regionen des Gehirnes aufleuchten
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8:01 - 8:03als bei dem Rest von uns.
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8:03 - 8:07Es scheint, als würden sie den Teil ihres Gedächtnisses benutzen,
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8:07 - 8:11der für das räumliche Erinnern und Navigieren benutzt wird.
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8:11 - 8:17Warum? Und können wir anderen daraus etwas lernen?
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8:17 - 8:21Der Wettkampf um das beste Gedächtnis
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8:21 - 8:24wird von einer Art Wettrüsten beherrscht,
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8:24 - 8:27in dem jedes Jahr irgendjemand mit
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8:27 - 8:30einer neuen Technik zum schnelleren Einprägen von mehr Fakten auftrumpft
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8:30 - 8:32und der Rest des Feldes aufholen muss.
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8:32 - 8:34Dies ist mein Freund Ben Pridmore,
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8:34 - 8:35dreimaliger Gedächtnis-Weltmeister.
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8:35 - 8:37Auf dem Tisch vor ihm
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8:37 - 8:41sind 36 gemischte Kartendecks
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8:41 - 8:44die er sich innerhalb von einer Stunde mit einer Technik,
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8:44 - 8:48die er erfunden und als Einziger gemeistert hat, einzuprägen.
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8:48 - 8:50Er verwendete eine ähnliche Technik
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8:50 - 8:52um sich die genaue Reihenfolge
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8:52 - 8:58von 4 140 zufälligen Binärzahlen in einer halben Stunde
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8:58 - 9:01einzuprägen.
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9:01 - 9:03Ja.
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9:03 - 9:06Und obwohl es eine Unmenge an Techniken gibt,
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9:06 - 9:10um sich verschiedenste Dinge in diesen Wettkämpfen
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9:10 - 9:13einzuprägen, basieren doch alle diese Techniken
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9:13 - 9:16auf dem Konzept,
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9:16 - 9:19das Psychologen "elaborative encoding" nennen.
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9:19 - 9:22Das so genannte Bäcker/Bäcker-Paradox illustriert
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9:22 - 9:24dieses Konzept besonders elegant.
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9:24 - 9:25Es lautet wie folgt:
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9:25 - 9:28Wenn ich zwei Personen bitte, sich das selbe Wort zu merken,
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9:28 - 9:30und dir sage ich,
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9:30 - 9:34"Merk dir, dass es eine Person namens Bäcker gibt."
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9:34 - 9:35Das ist sein Name.
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9:35 - 9:41Und dir sage ich, "Merk dir, dass es eine Person gibt, die ein Bäcker ist."
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9:41 - 9:44Wenn ich jetzt zu einem späteren Zeitpunkt zu euch zurück komme
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9:44 - 9:47und sage, "Weißt du noch das Wort,
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9:47 - 9:48das ich dir vor einiger Zeit gesagt habe?
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9:48 - 9:50Weißt du noch welches Wort es war?"
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9:50 - 9:54Die Person, die sich die Person namens Bäcker merken sollte,
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9:54 - 9:56erinnert sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit an das Wort
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9:56 - 10:00als die Person, die sich die Person mit dem Bäckerberuf merken sollte.
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10:00 - 10:03Gleiches Wort, unterschiedliches Erinnerungsvermögen; das ist seltsam.
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10:03 - 10:05Was geht hier vor sich?
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10:05 - 10:10Nun ja, der Name Bäcker bedeutet dir nichts.
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10:10 - 10:12Er ist absolut unabhängig
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10:12 - 10:15von all den Erinnerungsstücken, die in deinem Kopf umher schwirren.
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10:15 - 10:17Aber der Beruf des Bäckers,
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10:17 - 10:19wir kennen Bäcker.
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10:19 - 10:21Bäcker tragen komische weiße Mützen.
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10:21 - 10:23Bäcker haben Mehl an ihren Händen.
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10:23 - 10:25Bäcker riechen gut, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen.
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10:25 - 10:27Vielleicht kennen wir sogar einen Bäcker.
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10:27 - 10:28Und wenn wir das Wort zuerst hören,
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10:28 - 10:31verknüpfen wir diese Assoziationen mit dem Wort
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10:31 - 10:35und ermöglichen es, das Erinnerte später einfacher wiederzufinden.
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10:35 - 10:38Das Geheimnis dabei, was in den
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10:38 - 10:40Gedächtnis-Wettkämpfen vor sich geht,
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10:40 - 10:44und das Geheimnis, um sich alltägliche Dinge besser merken zu können,
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10:44 - 10:48ist einen Weg zu finden, um den Namen Bäcker
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10:48 - 10:50in den Beruf Bäcker zu verwandeln –
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10:50 - 10:53Eine Information, die keine Assoziationen mit sich verknüpft hat,
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10:53 - 10:55weder in Sinn noch in Bedeutung,
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10:55 - 10:57in einer Art und Weise zu verändern,
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10:57 - 10:59dass sie Bedeutung und Sinn
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10:59 - 11:04in Verbindung mit allen bereits existierenden Gedächtnisfragmenten bekommt.
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11:04 - 11:07Eine der ausgefeilteren Techniken hierfür
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11:07 - 11:11kann 2 500 Jahre zurück auf die antiken Griechen datiert werden.
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11:11 - 11:13Sie wurde als der Gedächtnispalast bekannt.
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11:13 - 11:17Die Geschichte seiner Schaffung geht wie folgt:
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11:17 - 11:20Es gab einen Dichter namens Simonides,
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11:20 - 11:22der ein Festmahl besuchte.
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11:22 - 11:24Er war für die Unterhaltung zuständig,
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11:24 - 11:27denn damals, wenn man eine wirklich große Party schmeißen wollte,
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11:27 - 11:30engagierte man keinen D.J., sondern einen Dichter.
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11:30 - 11:35Er trägt sein Gedicht aus dem Gedächtnis vor und verlässt den Raum.
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11:35 - 11:40In genau dem Moment bricht die Halle hinter ihm zusammen
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11:40 - 11:43und begräbt alle Gäste.
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11:43 - 11:45Nicht nur sind alle tot,
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11:45 - 11:49ihre Körper sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
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11:49 - 11:52Niemand kann sagen, wer anwesend war,
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11:52 - 11:55niemand weiß, wo wer gesessen hat.
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11:55 - 11:57Die Körper können nicht richtig bestattet werden.
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11:57 - 12:01Es ist eine Tragödie nach der anderen.
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12:01 - 12:04Simonides steht draußen,
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12:04 - 12:06der einzige Überlebende dieser Katastrophe.
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12:06 - 12:09Er schließt seine Augen und plötzlich begreift er,
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12:09 - 12:12dass er vor seinem inneren Auge
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12:12 - 12:17sehen kann, welcher Gast wo gesessen hat.
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12:17 - 12:19Und so nimmt er die Verbliebenden bei der Hand
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12:19 - 12:23und führt sie durch die Trümmer zu den Verstorbenen.
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12:23 - 12:27In diesem Moment verstand Simonides etwas,
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12:27 - 12:30was wir alle intuitiv bereits wissen,
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12:30 - 12:32dass wir, egal wie schlecht wir
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12:32 - 12:35uns auch Namen, Telefonnummern oder wörtliche
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12:35 - 12:38Anweisungen unserer Kollegen merken können,
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12:38 - 12:44wir ein sehr gutes visuelles und räumliches Gedächtnis haben.
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12:44 - 12:47Würde ich euch bitten, die ersten zehn Worte der
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12:47 - 12:50Geschichte über Simonides zu wiederholen,
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12:50 - 12:52so würdet ihr es schwierig finden.
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12:52 - 12:54Aber ich wette,
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12:54 - 12:57wenn ich euch bitten würde, sich zu erinnern,
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12:57 - 13:02wer in diesem Moment auf einem sprechenden gelb-braunen Pferd
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13:02 - 13:04in eurem Foyer sitzt,
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13:04 - 13:06dann könntet ihr das problemlos visualisieren.
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13:06 - 13:08Die Idee des Gedächtnispalastes ist es,
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13:08 - 13:13ein Gebäude vorm inneren Auge zu erbauen
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13:13 - 13:15und es mit Bildern
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13:15 - 13:17der zu erinnernden Dinge zu füllen –
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13:17 - 13:20je verrückter, bunter, bizarrer,
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13:20 - 13:24lustiger, dreckiger, stinkender das Bild ist,
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13:24 - 13:27um so stärker brennt es sich ins Gedächtnis ein.
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13:27 - 13:30Dies ist ein Ratschlag, der auf die über 2 000 Jahre alten
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13:30 - 13:33lateinischen Texte über das Gedächtnis zurück geht.
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13:33 - 13:34Wie funktioniert es also?
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13:34 - 13:37Angenommen du bist eingeladen,
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13:37 - 13:41um hier bei TED einen Vortrag zu halten
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13:41 - 13:43und du möchtest ihn aus dem Gedächtnis halten,
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13:43 - 13:48genauso wie Cicero es getan hätte, wäre er
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13:48 - 13:53zu TEDxRome vor 2 000 Jahren eingeladen worden.
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13:53 - 13:55Du könntest so vorgehen:
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13:55 - 14:00Stelle dir dich vor deiner Haustür vor.
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14:00 - 14:02Stelle dir eine absolut verrückte und verdrehte
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14:02 - 14:06Geschichte mit unvergesslichen Bildern vor,
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14:06 - 14:09um dich daran zu erinnern, dass du als erstes über diesen total
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14:09 - 14:12verrückten Wettkampf sprechen möchtest.
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14:12 - 14:15Und dann gehst du in dein Haus und siehst
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14:15 - 14:17das Krümelmonster auf dem Rücken von
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14:17 - 14:19Mr. Ed.
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14:19 - 14:21Und das würde dich daran erinnern,
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14:21 - 14:24deinen Freund Ed Cook vorzustellen.
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14:24 - 14:26Und wenn du dann Britney Spears siehst, erinnerst du dich
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14:26 - 14:29an eine lustige Anekdote, die du erzählen wolltest.
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14:29 - 14:31Du gehst in deine Küche,
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14:31 - 14:33und die vierte Sache, über die du sprechen wolltest,
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14:33 - 14:36war diese seltsame Reise auf die du für ein Jahr gegangen bist.
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14:36 - 14:41Und du hast einige Freunde, die dir helfen, dich daran zu erinnern.
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14:41 - 14:45So merkten sich römische Redner ihre Ansprachen –
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14:45 - 14:48nicht Wort für Wort, das verwirrt nämlich nur,
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14:48 - 14:51sondern Thema für Thema.
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14:51 - 14:54Der englische Begriff "topic sentence", ein das Thema beschreibender Satz,
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14:54 - 14:57kommt vom griechischen Wort "topos",
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14:57 - 14:59was "Stätte" bedeutet.
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14:59 - 15:00Das sind Überreste davon,
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15:00 - 15:02als die Menschen über Ansprachen und Rhetorik
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15:02 - 15:05in räumlichen Begriffen dachten.
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15:05 - 15:07Die Formulierung "an erster Stelle"
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15:07 - 15:10heißt eigentlich: "An erster Stelle in deinem Gedächtnispalast."
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15:10 - 15:12Ich fand das alles einfach faszinierend
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15:12 - 15:14und bin noch
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15:14 - 15:17zu einigen weiteren Gedächtnis-Wettkämpfen gefahren.
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15:17 - 15:19Ich wollte vielleicht etwas Längeres über diese Subkultur
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15:19 - 15:23des kompetitiven Erinnerns schreiben.
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15:23 - 15:25Aber es gab da ein Problem.
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15:25 - 15:27Das Problem, dass die Gedächtnis-Wettkämpfe
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15:27 - 15:31totlangweilige Veranstaltungen sind.
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15:31 - 15:34(Lachen)
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15:34 - 15:38Es ist wie eine Gruppe von Menschen, die da sitzen und einen Test schreiben.
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15:38 - 15:40Es ist schon aufregend,
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15:40 - 15:41wenn sich jemand die Schläfe reibt.
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15:41 - 15:44Ich bin Journalist, ich brauche etwas, worüber es lohnt zu schreiben.
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15:44 - 15:48Ich weiß, dass die atemberaubendsten Dinge in den Köpfen dieser Leute passieren,
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15:48 - 15:50aber ich habe keinen Zugriff darauf.
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15:50 - 15:53Wenn ich also diese Geschichte erzählen wollte,
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15:53 - 15:56musste ich mich in ihre Lage versetzen.
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15:56 - 15:59Und so fing ich an, jeden Morgen 15 bis 20 Minuten,
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15:59 - 16:02bevor ich mich mit meiner Zeitung hinsetze,
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16:02 - 16:05irgend etwas auswendig zu lernen.
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16:05 - 16:06Vielleicht ein Gedicht oder
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16:06 - 16:08die Namen aus einem alten Jahrbuch,
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16:08 - 16:11das ich auf dem Flohmarkt gekauft habe.
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16:11 - 16:16Ich musste feststellen, dass es erstaunlich viel Spaß macht.
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16:16 - 16:18Ich konnte mir das niemals vorstellen.
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16:18 - 16:22Es hat Spaß gemacht, weil es nicht darum geht, das Gedächtnis zu trainieren.
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16:22 - 16:25Du möchtest eben immer besser und besser darin werden,
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16:25 - 16:27diese verrückten, farbenfrohen,
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16:27 - 16:30dreckigen, lustigen
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16:30 - 16:34und hoffentlich unvergesslichen Bilder vor deinem inneren Auge zu erträumen.
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16:34 - 16:36Ich vertiefte mich darin.
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16:36 - 16:42Hier bin ich mit meinem Standard-Gedächtniswettbewerbs-Trainingsset.
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16:42 - 16:44Ein Paar Ohrschützer
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16:44 - 16:48und eine Schutzbrille, die bis auf zwei kleine Streifen
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16:48 - 16:50abgedeckt wurde, weil Ablenkung
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16:50 - 16:56der größte Feind des Gedächtnis-Wettkämpfers ist.
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16:56 - 17:01Ich ging zu dem selben Wettkampf, den ich ein Jahr früher besucht hatte
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17:01 - 17:03und mir schwebte vor, daran teilzunehmen,
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17:03 - 17:07nur so als journalistisches Experiment.
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17:07 - 17:11Es könnte ein netter Epilog für meine Nachforschungen sein.
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17:11 - 17:15Das Problem war, dass das Experiment nicht wie geplant verlief.
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17:15 - 17:18Ich gewann den Wettkampf,
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17:18 - 17:21was nun wirklich nicht hätte passieren sollen.
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17:21 - 17:27(Applaus)
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17:27 - 17:28Es war nett, sich
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17:28 - 17:31Reden einprägen zu können
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17:31 - 17:34und Telefonnummern und Einkaufslisten
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17:34 - 17:37aber das war nicht, was ich erzielen wollte.
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17:37 - 17:39Das sind nur Tricks.
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17:39 - 17:41Tricks die funktionieren,
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17:41 - 17:45weil sie auf einigen einfachen Ideen über die Funktionsweise
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17:45 - 17:46unseres Gehirnes aufbauen.
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17:46 - 17:50Du musst keine Gedächtnispaläste bauen oder dir Kartendecks
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17:50 - 17:52einprägen, um von dem Einblick
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17:52 - 17:54über die Funktionsweise deines Gedächtnisses
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17:54 - 17:57profitieren zu können.
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17:57 - 17:59Wir reden oft von Menschen mit gutem Gedächtnis,
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17:59 - 18:01als wäre es eine besondere Begabung,
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18:01 - 18:03aber das stimmt so nicht.
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18:03 - 18:07Gute Gedächtnisse sind antrainiert.
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18:07 - 18:10Wir merken uns Dinge besser, wenn wir aufpassen.
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18:10 - 18:13Wir erinnern uns, wenn wir engagiert sind.
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18:13 - 18:15Wir erinnern uns, wenn wir die Möglichkeit haben
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18:15 - 18:18herauszufinden, warum Informationen und Erfahrungen
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18:18 - 18:20bedeutungsvoll für uns sind,
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18:20 - 18:22wieso sie Bedeutung haben und hervorstehen,
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18:22 - 18:25wenn wir sie in etwas umwandeln können, das für uns
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18:25 - 18:27in Bezug auf
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18:27 - 18:29unsere anderen Erinnerungsfetzen sinnvoll ist.
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18:29 - 18:34Wenn wir den Namen "Bäcker" in den Beruf "Bäcker" verwandeln können.
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18:34 - 18:37Der Gedächtnispalast, diese Gedächtnistechniken,
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18:37 - 18:38sie sind alle nur Abkürzungen.
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18:38 - 18:41Tatsächlich sind es nicht mal wirkliche Abkürzungen.
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18:41 - 18:44Sie funktionieren, weil sie uns zwingen zu arbeiten.
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18:44 - 18:48Sie zwingen uns zu verarbeiten
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18:48 - 18:50und aufmerksam zu sein,
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18:50 - 18:54in einer Art und Weise, in der wir es normalerweise nicht sind.
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18:54 - 18:57Aber es sind keine Abkürzungen.
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18:57 - 18:59So werden Dinge im Gedächtnis verankert.
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18:59 - 19:04Eine Sache möchte ich euch mit auf den Weg geben,
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19:04 - 19:06etwas, das ich durch E.P.,
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19:06 - 19:10den Mann der sich nicht einmal an sein Gedächtnisproblem erinnerte,
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19:10 - 19:12gelernt habe.
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19:12 - 19:14Unsere Leben sind
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19:14 - 19:19die Summe unserer Erinnerungen.
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19:19 - 19:25Wie viel sind wir bereit, von unseren ohnehin kurzen Leben
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19:25 - 19:28dadurch zu verlieren, dass wir
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19:28 - 19:35permanent auf unser Blackberry oder unser iPhone schauen,
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19:35 - 19:39anstatt dem Menschen uns gegenüber, der mit uns redet, Beachtung zu schenken?
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19:39 - 19:41Wie viel sind wir bereit zu verlieren, weil
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19:41 - 19:43wir so faul sind, dass wir Erlebtes nicht
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19:43 - 19:46tiefgehend verarbeiten und erinnern wollen?
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19:46 - 19:49Ich habe gelernt,
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19:49 - 19:52dass das Gedächtnis, in jedem von uns,
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19:52 - 19:54unglaubliche Kapazitäten besitzt.
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19:54 - 19:58Wenn wir ein erinnerungswürdiges Leben leben wollen,
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19:58 - 20:00müssen wir die Person sein, die
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20:00 - 20:03nicht vergisst zu erinnern.
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20:03 - 20:05Danke.
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20:05 - 20:08(Applaus)
- Title:
- Joshua Foer: Gedächtnisleistungen für jedermann
- Speaker:
- Joshua Foer
- Description:
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Es gibt Menschen, die sich in kürzester Zeit Tausende von Nummern oder die Reihenfolge von Karten in einem oder mehreren Decks einprägen können. Der Wissenschaftsjournalist Joshua Foer beschreibt die Technik – die sich Gedächtnispalast nennt – und zeigt ihre beachtenswerteste Eigenschaft: Jeder, eingeschlossen er selbst, kann diese Technik erlernen.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 20:28
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Judith Matz approved German subtitles for Feats of memory anyone can do | ||
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