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Joshua Foer: Gedächtnisleistungen für jedermann

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    Ich möchte euch einladen eure Augen zu schließen.
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    Stell dir vor,
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    du stehst vor deiner Haustür.
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    Betrachte die Tür, ihre Farbe und
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    das Material aus dem sie gemacht ist.
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    Jetzt stell dir eine Gruppe übergewichtiger FKK-ler auf ihren Fahrrädern vor.
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    Es ist ein nacktes Fahrradrennen und sie kommen
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    genau auf dich und deine Haustür zu.
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    Du musst dir das wirklich vorstellen.
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    Sie strampeln sich ab, schwitzen und
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    wabbeln direkt auf dich zu.
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    Und dann krachen sie alle direkt in deine Haustür.
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    Fahrräder, Räder, alles fliegt kreuz und quer.
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    Speichen verkeilen sich in prekären Stellen.
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    Nun tritt über die Schwelle deiner Wohnung in deine Diele,
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    deinen Flur oder was eben auf der anderen Seite deiner Wohnungstür liegt,
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    und genieße, wie sich das Licht im Raum bricht.
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    Das Licht scheint auf das Krümelmonster.
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    Es winkt dir vom Rücken eines
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    gelb-braunen Pferdes aus zu.
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    Einem sprechenden Pferd.
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    Du kannst fast spüren, wie sein blaues Fell deine Nase kitzelt.
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    Du riechst den Schokokeks, den es sich in den Mund schiebt.
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    Geh an ihm vorbei, vorbei in dein Wohnzimmer.
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    Hier stell dir mit der ganzen Leistung deiner Vorstellungskraft
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    Britney Spears vor.
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    Ihre Kleider bedecken nur das Allernötigste, sie singt
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    "Hit Me Baby One More Time", während sie auf deinem Wohnzimmertisch tanzt.
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    Jetzt folge mir in deine Küche.
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    Der Boden wurde durch eine gelbe Pflasterstraße ersetzt
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    und aus deinem Ofen kommen dir Dorothy, der Zinnmann,
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    Vogelscheuche und der Löwe aus
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    "Der Zauberer von Oz" entgegen,
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    Hand in Hand hüpfen sie auf dich zu.
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    Okay. Jetzt öffne die Augen.
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    ich möchte euch von einem sehr bizarren Wettbewerb erzählen,
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    der jedes Jahr im Frühling in New York City abgehalten wird.
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    Er heißt "United States Memory Championship".
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    Vor ein paar Jahren wollte ich von diesen Wettkampf
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    als Wissenschaftsjournalist berichten
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    und erwartete, die Jahrestagung
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    der Inselbegabten vorzufinden.
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    Es war ein Haufen Typen und einige wenige Damen,
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    von ganz unterschiedlichem Alter und Hygienestandard.
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    (Lachen)
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    Sie prägten sich nach einmaligem Betrachten
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    Hunderte von zufälligen Zahlen ein.
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    Lernten die Namen von Dutzenden und Aberdutzenden von Unbekannten
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    und merkten sich ganze Gedichte in nur wenigen Minuten.
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    Sie konkurrierten darum, wer sich die Reihenfolge
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    eines gemischten Kartendecks am schnellsten einprägen konnte.
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    Das ist verrückt.
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    Diese Leute müssen übernatürliche Fähigkeiten haben.
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    Ich fing an, mich mit einigen von ihnen zu unterhalten.
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    Dies hier ist Ed Cook, ein Typ, der
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    aus England hergekommen ist und
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    dort eines der besttrainierten Gedächtnisse hat.
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    Und ich fragte ihn, "Ed, wann hast du bemerkt,
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    dass du diese besondere Begabung hast?"
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    Und Ed sagte, "Ich bin kein Inselbegabter.
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    Ich habe nur ein durchschnittliches Gedächtnis.
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    Jeder, der hier antritt, wird dir bestätigen,
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    dass er oder sie nur ein Durchschnittsgedächtnis hat.
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    Wir haben uns alle, mittels antiker Techniken,
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    darauf trainiert, diese unglaublichen
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    Gedächtniskunststücke zu vollführen.
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    Techniken, die die Griechen vor 2 500 Jahren erfunden haben.
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    Dieselben Techniken, die Cicero nutzte, um
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    seine Reden auswendig zu lernen,
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    und die mittelalterliche Gelehrte nutzten, um ganze Bücher auswendig zu lernen."
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    Und ich dachte nur, "Wow, wie kommt es, dass ich noch nie davon gehört habe?"
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    Wir standen draußen vor der Wettkampfhalle
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    und Ed, dieser wunderbare, brillante,
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    und etwas exzentrische englische Typ
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    sagt zu mir, "Josh, du bist ein amerikanischer Journalist.
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    Kennst du Britney Spears?"
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    Ich: "Was? Nee. Wieso?"
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    "Ich würde gern Britney Spears beibringen, wie man
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    die Reihenfolge eines gemischten Kartendecks auswendig lernt.
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    Im U.S.-Fernsehen.
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    Es würde der Welt beweisen, dass das hier jeder kann."
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    (Lachen)
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    Ich sagte ihm, "Ich bin zwar nicht Britney Spears,
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    aber du könntest es mir beibringen.
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    Ich meine, du musst ja irgendwo anfangen, nicht wahr?"
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    Und das war der Anfang einer sehr seltsamen Reise für mich.
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    Einen Großteil des nächsten Jahres verbrachte ich
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    nicht nur damit, mein Gedächtnis zu trainieren,
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    sondern auch damit, es zu untersuchen
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    und zu verstehen, wie es funktioniert,
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    warum es manchmal nicht funktioniert
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    und was sein Potenzial sein könnte.
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    Ich habe eine Menge wirklich interessanter Leute getroffen.
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    Das hier ist zum Beispiel E.P.
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    Er leidet unter Gedächtnisverlust und hat
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    vermutlich das schlechteste Gedächtnis der Welt.
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    Sein Gedächtnis ist so schlecht,
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    dass er sich nicht einmal an sein Gedächtnisproblem erinnert.
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    Was erstaunlich ist.
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    Obwohl es so tragisch war,
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    bot er Einblicke darin,
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    wie viel unser Gedächtnis uns zu dem macht, wer wir sind.
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    Auf der anderen Seite des Spektrums lernte ich
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    Kim Peek kennen.
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    Er war die Vorlage für Dustin Hoffmans Charakter in dem Film "Rain Man."
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    Wir verbrachten einen Nachmittag zusammen damit,
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    in der öffentlichen Bücherei in Salt Lake City Telefonbücher auswendig zu lernen.
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    Einfach faszinierend.
  • 5:33 - 5:36
    (Lachen)
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    Und ich kam zurück, um einen ganzen Stapel Abhandlungen über das Gedächtnis zu lesen,
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    Abhandlungen, die vor 2 000 Jahren und mehr
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    im Altertum in Latein
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    und später im Mittelalter geschrieben worden waren.
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    Und ich habe einen ganzen Haufen wirklich interessanter Dinge gelernt.
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    Besonders faszinierte mich, dass
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    es eine Zeit gab, zu der
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    die Vorstellung, das Gedächtnis zu trainieren, zu disziplinieren, zu kultivieren,
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    nicht nahezu so fremd wie heute erschien.
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    Es gab eine Zeit, zu der Menschen in ihr Gedächtnis investierten,
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    es aufwändig möblierten.
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    Über die letzten paar Jahrtausende
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    haben wir eine Reihe von Technologien erfunden –
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    vom Alphabet zur Schriftrolle,
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    zum Kodex, dem Buchdruck, der Photographie,
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    dem Computer, dem Smartphone –
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    die es uns immer einfacher gemacht haben,
  • 6:31 - 6:33
    unser Gedächtnis extern zu lagern,
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    diese fundamental menschliche Fähigkeit
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    im Prinzip auszugliedern.
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    Diese Technologien haben unsere moderne Welt ermöglicht,
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    uns aber gleichzeitig verändert.
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    Sie haben uns kulturell verändert
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    und ich würde behaupten, dass sie uns auch kognitiv verändert haben.
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    Ohne die Notwendigkeit zu erinnern,
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    scheint es manchmal, als hätten wir vergessen, wie das geht.
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    Einer der letzten Orte dieser Erde,
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    wo man noch immer Leute finden kann, die noch immer leidenschaftlich
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    ihr Gedächtnis trainieren, disziplinieren und kultivieren,
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    ist dieser einzigartige Gedächtnis-Wettkampf.
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    Tatsächlich ist er nicht so einzigartig,
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    es gibt Wettkämpfe wie diesen auf der ganzen Welt.
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    Und das hat mich in den Bann gezogen, ich wollte wissen, wie diese Leute das machen.
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    Vor einigen Jahren hat eine Forschungsgruppe am University College London
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    eine Gruppe von Gedächtnismeistern ins Labor gebracht.
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    Sie wollten wissen:
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    Ist die Struktur oder Anatomie
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    ihrer Gehirne anders als die beim Rest von uns?
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    Die Antwort war: Nein.
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    Sind sie klüger als wir?
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    Sie gaben ihnen einen Stapel Kognitionstests
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    und die Antwort war: Eigentlich nicht.
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    Es gab allerdings einen interessanten und vielsagenden Unterschied
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    zwischen dem Gehirn eines Gedächtnismeisters
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    und dem einer Kontrollperson, mit dem es verglichen wurde.
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    Wenn man sie in eine fMRI-Maschine steckt
  • 7:50 - 7:52
    und ihr Gehirn scannt,
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    während sie sich Nummern, Gesichter und Bilder von Schneeflocken einprägen,
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    kann man sehen, dass bei den Gedächtnismeistern
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    andere Regionen des Gehirnes aufleuchten
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    als bei dem Rest von uns.
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    Es scheint, als würden sie den Teil ihres Gedächtnisses benutzen,
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    der für das räumliche Erinnern und Navigieren benutzt wird.
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    Warum? Und können wir anderen daraus etwas lernen?
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    Der Wettkampf um das beste Gedächtnis
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    wird von einer Art Wettrüsten beherrscht,
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    in dem jedes Jahr irgendjemand mit
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    einer neuen Technik zum schnelleren Einprägen von mehr Fakten auftrumpft
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    und der Rest des Feldes aufholen muss.
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    Dies ist mein Freund Ben Pridmore,
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    dreimaliger Gedächtnis-Weltmeister.
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    Auf dem Tisch vor ihm
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    sind 36 gemischte Kartendecks
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    die er sich innerhalb von einer Stunde mit einer Technik,
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    die er erfunden und als Einziger gemeistert hat, einzuprägen.
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    Er verwendete eine ähnliche Technik
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    um sich die genaue Reihenfolge
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    von 4 140 zufälligen Binärzahlen in einer halben Stunde
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    einzuprägen.
  • 9:01 - 9:03
    Ja.
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    Und obwohl es eine Unmenge an Techniken gibt,
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    um sich verschiedenste Dinge in diesen Wettkämpfen
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    einzuprägen, basieren doch alle diese Techniken
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    auf dem Konzept,
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    das Psychologen "elaborative encoding" nennen.
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    Das so genannte Bäcker/Bäcker-Paradox illustriert
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    dieses Konzept besonders elegant.
  • 9:24 - 9:25
    Es lautet wie folgt:
  • 9:25 - 9:28
    Wenn ich zwei Personen bitte, sich das selbe Wort zu merken,
  • 9:28 - 9:30
    und dir sage ich,
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    "Merk dir, dass es eine Person namens Bäcker gibt."
  • 9:34 - 9:35
    Das ist sein Name.
  • 9:35 - 9:41
    Und dir sage ich, "Merk dir, dass es eine Person gibt, die ein Bäcker ist."
  • 9:41 - 9:44
    Wenn ich jetzt zu einem späteren Zeitpunkt zu euch zurück komme
  • 9:44 - 9:47
    und sage, "Weißt du noch das Wort,
  • 9:47 - 9:48
    das ich dir vor einiger Zeit gesagt habe?
  • 9:48 - 9:50
    Weißt du noch welches Wort es war?"
  • 9:50 - 9:54
    Die Person, die sich die Person namens Bäcker merken sollte,
  • 9:54 - 9:56
    erinnert sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit an das Wort
  • 9:56 - 10:00
    als die Person, die sich die Person mit dem Bäckerberuf merken sollte.
  • 10:00 - 10:03
    Gleiches Wort, unterschiedliches Erinnerungsvermögen; das ist seltsam.
  • 10:03 - 10:05
    Was geht hier vor sich?
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    Nun ja, der Name Bäcker bedeutet dir nichts.
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    Er ist absolut unabhängig
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    von all den Erinnerungsstücken, die in deinem Kopf umher schwirren.
  • 10:15 - 10:17
    Aber der Beruf des Bäckers,
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    wir kennen Bäcker.
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    Bäcker tragen komische weiße Mützen.
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    Bäcker haben Mehl an ihren Händen.
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    Bäcker riechen gut, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen.
  • 10:25 - 10:27
    Vielleicht kennen wir sogar einen Bäcker.
  • 10:27 - 10:28
    Und wenn wir das Wort zuerst hören,
  • 10:28 - 10:31
    verknüpfen wir diese Assoziationen mit dem Wort
  • 10:31 - 10:35
    und ermöglichen es, das Erinnerte später einfacher wiederzufinden.
  • 10:35 - 10:38
    Das Geheimnis dabei, was in den
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    Gedächtnis-Wettkämpfen vor sich geht,
  • 10:40 - 10:44
    und das Geheimnis, um sich alltägliche Dinge besser merken zu können,
  • 10:44 - 10:48
    ist einen Weg zu finden, um den Namen Bäcker
  • 10:48 - 10:50
    in den Beruf Bäcker zu verwandeln –
  • 10:50 - 10:53
    Eine Information, die keine Assoziationen mit sich verknüpft hat,
  • 10:53 - 10:55
    weder in Sinn noch in Bedeutung,
  • 10:55 - 10:57
    in einer Art und Weise zu verändern,
  • 10:57 - 10:59
    dass sie Bedeutung und Sinn
  • 10:59 - 11:04
    in Verbindung mit allen bereits existierenden Gedächtnisfragmenten bekommt.
  • 11:04 - 11:07
    Eine der ausgefeilteren Techniken hierfür
  • 11:07 - 11:11
    kann 2 500 Jahre zurück auf die antiken Griechen datiert werden.
  • 11:11 - 11:13
    Sie wurde als der Gedächtnispalast bekannt.
  • 11:13 - 11:17
    Die Geschichte seiner Schaffung geht wie folgt:
  • 11:17 - 11:20
    Es gab einen Dichter namens Simonides,
  • 11:20 - 11:22
    der ein Festmahl besuchte.
  • 11:22 - 11:24
    Er war für die Unterhaltung zuständig,
  • 11:24 - 11:27
    denn damals, wenn man eine wirklich große Party schmeißen wollte,
  • 11:27 - 11:30
    engagierte man keinen D.J., sondern einen Dichter.
  • 11:30 - 11:35
    Er trägt sein Gedicht aus dem Gedächtnis vor und verlässt den Raum.
  • 11:35 - 11:40
    In genau dem Moment bricht die Halle hinter ihm zusammen
  • 11:40 - 11:43
    und begräbt alle Gäste.
  • 11:43 - 11:45
    Nicht nur sind alle tot,
  • 11:45 - 11:49
    ihre Körper sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
  • 11:49 - 11:52
    Niemand kann sagen, wer anwesend war,
  • 11:52 - 11:55
    niemand weiß, wo wer gesessen hat.
  • 11:55 - 11:57
    Die Körper können nicht richtig bestattet werden.
  • 11:57 - 12:01
    Es ist eine Tragödie nach der anderen.
  • 12:01 - 12:04
    Simonides steht draußen,
  • 12:04 - 12:06
    der einzige Überlebende dieser Katastrophe.
  • 12:06 - 12:09
    Er schließt seine Augen und plötzlich begreift er,
  • 12:09 - 12:12
    dass er vor seinem inneren Auge
  • 12:12 - 12:17
    sehen kann, welcher Gast wo gesessen hat.
  • 12:17 - 12:19
    Und so nimmt er die Verbliebenden bei der Hand
  • 12:19 - 12:23
    und führt sie durch die Trümmer zu den Verstorbenen.
  • 12:23 - 12:27
    In diesem Moment verstand Simonides etwas,
  • 12:27 - 12:30
    was wir alle intuitiv bereits wissen,
  • 12:30 - 12:32
    dass wir, egal wie schlecht wir
  • 12:32 - 12:35
    uns auch Namen, Telefonnummern oder wörtliche
  • 12:35 - 12:38
    Anweisungen unserer Kollegen merken können,
  • 12:38 - 12:44
    wir ein sehr gutes visuelles und räumliches Gedächtnis haben.
  • 12:44 - 12:47
    Würde ich euch bitten, die ersten zehn Worte der
  • 12:47 - 12:50
    Geschichte über Simonides zu wiederholen,
  • 12:50 - 12:52
    so würdet ihr es schwierig finden.
  • 12:52 - 12:54
    Aber ich wette,
  • 12:54 - 12:57
    wenn ich euch bitten würde, sich zu erinnern,
  • 12:57 - 13:02
    wer in diesem Moment auf einem sprechenden gelb-braunen Pferd
  • 13:02 - 13:04
    in eurem Foyer sitzt,
  • 13:04 - 13:06
    dann könntet ihr das problemlos visualisieren.
  • 13:06 - 13:08
    Die Idee des Gedächtnispalastes ist es,
  • 13:08 - 13:13
    ein Gebäude vorm inneren Auge zu erbauen
  • 13:13 - 13:15
    und es mit Bildern
  • 13:15 - 13:17
    der zu erinnernden Dinge zu füllen –
  • 13:17 - 13:20
    je verrückter, bunter, bizarrer,
  • 13:20 - 13:24
    lustiger, dreckiger, stinkender das Bild ist,
  • 13:24 - 13:27
    um so stärker brennt es sich ins Gedächtnis ein.
  • 13:27 - 13:30
    Dies ist ein Ratschlag, der auf die über 2 000 Jahre alten
  • 13:30 - 13:33
    lateinischen Texte über das Gedächtnis zurück geht.
  • 13:33 - 13:34
    Wie funktioniert es also?
  • 13:34 - 13:37
    Angenommen du bist eingeladen,
  • 13:37 - 13:41
    um hier bei TED einen Vortrag zu halten
  • 13:41 - 13:43
    und du möchtest ihn aus dem Gedächtnis halten,
  • 13:43 - 13:48
    genauso wie Cicero es getan hätte, wäre er
  • 13:48 - 13:53
    zu TEDxRome vor 2 000 Jahren eingeladen worden.
  • 13:53 - 13:55
    Du könntest so vorgehen:
  • 13:55 - 14:00
    Stelle dir dich vor deiner Haustür vor.
  • 14:00 - 14:02
    Stelle dir eine absolut verrückte und verdrehte
  • 14:02 - 14:06
    Geschichte mit unvergesslichen Bildern vor,
  • 14:06 - 14:09
    um dich daran zu erinnern, dass du als erstes über diesen total
  • 14:09 - 14:12
    verrückten Wettkampf sprechen möchtest.
  • 14:12 - 14:15
    Und dann gehst du in dein Haus und siehst
  • 14:15 - 14:17
    das Krümelmonster auf dem Rücken von
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    Mr. Ed.
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    Und das würde dich daran erinnern,
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    deinen Freund Ed Cook vorzustellen.
  • 14:24 - 14:26
    Und wenn du dann Britney Spears siehst, erinnerst du dich
  • 14:26 - 14:29
    an eine lustige Anekdote, die du erzählen wolltest.
  • 14:29 - 14:31
    Du gehst in deine Küche,
  • 14:31 - 14:33
    und die vierte Sache, über die du sprechen wolltest,
  • 14:33 - 14:36
    war diese seltsame Reise auf die du für ein Jahr gegangen bist.
  • 14:36 - 14:41
    Und du hast einige Freunde, die dir helfen, dich daran zu erinnern.
  • 14:41 - 14:45
    So merkten sich römische Redner ihre Ansprachen –
  • 14:45 - 14:48
    nicht Wort für Wort, das verwirrt nämlich nur,
  • 14:48 - 14:51
    sondern Thema für Thema.
  • 14:51 - 14:54
    Der englische Begriff "topic sentence", ein das Thema beschreibender Satz,
  • 14:54 - 14:57
    kommt vom griechischen Wort "topos",
  • 14:57 - 14:59
    was "Stätte" bedeutet.
  • 14:59 - 15:00
    Das sind Überreste davon,
  • 15:00 - 15:02
    als die Menschen über Ansprachen und Rhetorik
  • 15:02 - 15:05
    in räumlichen Begriffen dachten.
  • 15:05 - 15:07
    Die Formulierung "an erster Stelle"
  • 15:07 - 15:10
    heißt eigentlich: "An erster Stelle in deinem Gedächtnispalast."
  • 15:10 - 15:12
    Ich fand das alles einfach faszinierend
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    und bin noch
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    zu einigen weiteren Gedächtnis-Wettkämpfen gefahren.
  • 15:17 - 15:19
    Ich wollte vielleicht etwas Längeres über diese Subkultur
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    des kompetitiven Erinnerns schreiben.
  • 15:23 - 15:25
    Aber es gab da ein Problem.
  • 15:25 - 15:27
    Das Problem, dass die Gedächtnis-Wettkämpfe
  • 15:27 - 15:31
    totlangweilige Veranstaltungen sind.
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    (Lachen)
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    Es ist wie eine Gruppe von Menschen, die da sitzen und einen Test schreiben.
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    Es ist schon aufregend,
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    wenn sich jemand die Schläfe reibt.
  • 15:41 - 15:44
    Ich bin Journalist, ich brauche etwas, worüber es lohnt zu schreiben.
  • 15:44 - 15:48
    Ich weiß, dass die atemberaubendsten Dinge in den Köpfen dieser Leute passieren,
  • 15:48 - 15:50
    aber ich habe keinen Zugriff darauf.
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    Wenn ich also diese Geschichte erzählen wollte,
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    musste ich mich in ihre Lage versetzen.
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    Und so fing ich an, jeden Morgen 15 bis 20 Minuten,
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    bevor ich mich mit meiner Zeitung hinsetze,
  • 16:02 - 16:05
    irgend etwas auswendig zu lernen.
  • 16:05 - 16:06
    Vielleicht ein Gedicht oder
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    die Namen aus einem alten Jahrbuch,
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    das ich auf dem Flohmarkt gekauft habe.
  • 16:11 - 16:16
    Ich musste feststellen, dass es erstaunlich viel Spaß macht.
  • 16:16 - 16:18
    Ich konnte mir das niemals vorstellen.
  • 16:18 - 16:22
    Es hat Spaß gemacht, weil es nicht darum geht, das Gedächtnis zu trainieren.
  • 16:22 - 16:25
    Du möchtest eben immer besser und besser darin werden,
  • 16:25 - 16:27
    diese verrückten, farbenfrohen,
  • 16:27 - 16:30
    dreckigen, lustigen
  • 16:30 - 16:34
    und hoffentlich unvergesslichen Bilder vor deinem inneren Auge zu erträumen.
  • 16:34 - 16:36
    Ich vertiefte mich darin.
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    Hier bin ich mit meinem Standard-Gedächtniswettbewerbs-Trainingsset.
  • 16:42 - 16:44
    Ein Paar Ohrschützer
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    und eine Schutzbrille, die bis auf zwei kleine Streifen
  • 16:48 - 16:50
    abgedeckt wurde, weil Ablenkung
  • 16:50 - 16:56
    der größte Feind des Gedächtnis-Wettkämpfers ist.
  • 16:56 - 17:01
    Ich ging zu dem selben Wettkampf, den ich ein Jahr früher besucht hatte
  • 17:01 - 17:03
    und mir schwebte vor, daran teilzunehmen,
  • 17:03 - 17:07
    nur so als journalistisches Experiment.
  • 17:07 - 17:11
    Es könnte ein netter Epilog für meine Nachforschungen sein.
  • 17:11 - 17:15
    Das Problem war, dass das Experiment nicht wie geplant verlief.
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    Ich gewann den Wettkampf,
  • 17:18 - 17:21
    was nun wirklich nicht hätte passieren sollen.
  • 17:21 - 17:27
    (Applaus)
  • 17:27 - 17:28
    Es war nett, sich
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    Reden einprägen zu können
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    und Telefonnummern und Einkaufslisten
  • 17:34 - 17:37
    aber das war nicht, was ich erzielen wollte.
  • 17:37 - 17:39
    Das sind nur Tricks.
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    Tricks die funktionieren,
  • 17:41 - 17:45
    weil sie auf einigen einfachen Ideen über die Funktionsweise
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    unseres Gehirnes aufbauen.
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    Du musst keine Gedächtnispaläste bauen oder dir Kartendecks
  • 17:50 - 17:52
    einprägen, um von dem Einblick
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    über die Funktionsweise deines Gedächtnisses
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    profitieren zu können.
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    Wir reden oft von Menschen mit gutem Gedächtnis,
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    als wäre es eine besondere Begabung,
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    aber das stimmt so nicht.
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    Gute Gedächtnisse sind antrainiert.
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    Wir merken uns Dinge besser, wenn wir aufpassen.
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    Wir erinnern uns, wenn wir engagiert sind.
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    Wir erinnern uns, wenn wir die Möglichkeit haben
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    herauszufinden, warum Informationen und Erfahrungen
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    bedeutungsvoll für uns sind,
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    wieso sie Bedeutung haben und hervorstehen,
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    wenn wir sie in etwas umwandeln können, das für uns
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    in Bezug auf
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    unsere anderen Erinnerungsfetzen sinnvoll ist.
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    Wenn wir den Namen "Bäcker" in den Beruf "Bäcker" verwandeln können.
  • 18:34 - 18:37
    Der Gedächtnispalast, diese Gedächtnistechniken,
  • 18:37 - 18:38
    sie sind alle nur Abkürzungen.
  • 18:38 - 18:41
    Tatsächlich sind es nicht mal wirkliche Abkürzungen.
  • 18:41 - 18:44
    Sie funktionieren, weil sie uns zwingen zu arbeiten.
  • 18:44 - 18:48
    Sie zwingen uns zu verarbeiten
  • 18:48 - 18:50
    und aufmerksam zu sein,
  • 18:50 - 18:54
    in einer Art und Weise, in der wir es normalerweise nicht sind.
  • 18:54 - 18:57
    Aber es sind keine Abkürzungen.
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    So werden Dinge im Gedächtnis verankert.
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    Eine Sache möchte ich euch mit auf den Weg geben,
  • 19:04 - 19:06
    etwas, das ich durch E.P.,
  • 19:06 - 19:10
    den Mann der sich nicht einmal an sein Gedächtnisproblem erinnerte,
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    gelernt habe.
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    Unsere Leben sind
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    die Summe unserer Erinnerungen.
  • 19:19 - 19:25
    Wie viel sind wir bereit, von unseren ohnehin kurzen Leben
  • 19:25 - 19:28
    dadurch zu verlieren, dass wir
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    permanent auf unser Blackberry oder unser iPhone schauen,
  • 19:35 - 19:39
    anstatt dem Menschen uns gegenüber, der mit uns redet, Beachtung zu schenken?
  • 19:39 - 19:41
    Wie viel sind wir bereit zu verlieren, weil
  • 19:41 - 19:43
    wir so faul sind, dass wir Erlebtes nicht
  • 19:43 - 19:46
    tiefgehend verarbeiten und erinnern wollen?
  • 19:46 - 19:49
    Ich habe gelernt,
  • 19:49 - 19:52
    dass das Gedächtnis, in jedem von uns,
  • 19:52 - 19:54
    unglaubliche Kapazitäten besitzt.
  • 19:54 - 19:58
    Wenn wir ein erinnerungswürdiges Leben leben wollen,
  • 19:58 - 20:00
    müssen wir die Person sein, die
  • 20:00 - 20:03
    nicht vergisst zu erinnern.
  • 20:03 - 20:05
    Danke.
  • 20:05 - 20:08
    (Applaus)
Title:
Joshua Foer: Gedächtnisleistungen für jedermann
Speaker:
Joshua Foer
Description:

Es gibt Menschen, die sich in kürzester Zeit Tausende von Nummern oder die Reihenfolge von Karten in einem oder mehreren Decks einprägen können. Der Wissenschaftsjournalist Joshua Foer beschreibt die Technik – die sich Gedächtnispalast nennt – und zeigt ihre beachtenswerteste Eigenschaft: Jeder, eingeschlossen er selbst, kann diese Technik erlernen.

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English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
20:28
Darren Bridenbeck (Amara Staff) approved German subtitles for Feats of memory anyone can do
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